Aktuelles zur OB-Wahl in Kassel

Bildung im Mittelpunkt

Die GEW Kassel-Stadt hat allen OB-Kandidat*innen Wahlprüfsteine geschickt. Hier finden Sie die Antworten von Dr. Sven Schoeller.

Themenkomplex 1: Förderung und Inklusion

Vorbemerkung: Kassel nannte sich fünf Jahre lang „Modellregion Inklusion“. Die Stadt bleibt dabei, der Inklusion einen hohen Stellenwert einräumen zu wollen.

1. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass in Zukunft mehr Menschen mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ und „geistige Entwicklung“ bei der Stadt Kassel und den städtischen Betrieben arbeiten können?

Die Stadtverwaltung sollte die Vielfalt der Kasseler Stadtgesellschaft widerspiegeln. Das gilt selbstverständlich auch für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung. Als OB und Personaldezernent werde ich gemeinsam mit den Fachämtern und externen Partnern Wege suchen, um mehr Menschen mit Lernschwierigkeiten für eine Arbeit bei der Stadt Kassel zu gewinnen.

2. Was bedeutet das für Sie in Bezug auf die Einrichtung von Praktikums- und Ausbildungsplätzen in Kassel?

Ausbildung und Praktika sind von zentraler Bedeutung, um die Fachkräfte der Zukunft für unsere Stadt zu sichern. Egal ob sie mit oder ohne Behinderung leben. Die Aufgabe, Menschen mit Beeinträchtigung in angemessenem Umfang in der Stadtverwaltung und städtischen Betrieben in Arbeit zu bringen, bedeutet somit gleichermaßen auch geeignete Praktikums- und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

3. Welche Möglichkeiten sehen Sie für den Einsatz von städtischen Schulassistenzkräften im außerunterrichtlichen Nachmittagsbereich?

Als Oberbürgermeister möchte ich die Inklusion im Ganztag weiterentwickeln, damit die ganztägig arbeitende Schule für alle Kinder zu einem Lebensort wird, an dem sie sich wohlfühlen und sich optimal entwickeln. Dazu suche ich gemeinsam mit allen an Schule Beteiligten nach Lösungen, um Teilhabe über die gesamte Bildungs- und Betreuungszeit zu gewährleisten. Die Schulassistenz spielt dabei eine wichtige, aber nicht die alleinige Rolle in multiprofessionellen Teams.

4. Die GEW Kassel-Stadt fordert mindestens zwei Stellen für die Schulsozialarbeit an jeder Schule in Kassel. Wie kommen wir wann dahin?

Die Pandemie hat die psychische Gesundheit und auch das Sozialverhalten vieler Kinder und Jugendlicher enorm beeinträchtigt und Familien insgesamt stark belastet. Auch deshalb unterstütze ich eine Stärkung der Schulsozialarbeit.
Darüber hinaus brauchen wir eine sektor- und behördenübergreifende Kasseler Gesamtstrategie zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Diese sollte die vorhandenen Ressourcen, etwa aus den Präventionsmitteln der Krankenkassen, dem schulpsychologischen Dienst, dem schulärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes und natürlich der Schulsozialarbeit optimal miteinander vernetzen und um Angebote wie das eines kommunalen Kinder- und Jugendpsychatrischen Dienstes ergänzen.

Themenkomplex 2: Lern-Räume

Vorbemerkung: Die Stadt Kassel versucht dem immer größer werdenden Druck an den Schulen durch die Gründung der GWGpro ein politisches Auslassventil zu schaffen. Die Folgen des Sanierungsstaus sind vielerorts sichtbar. Der Schulträger hat im Zeitraum von 1992 bis 2018 Bauinvestitionen in Höhe von durchschnittlich 182,00 € je Schüler:in jährlich verausgabt. Im Vergleich: Der Hochtaunuskreis investierte durchschnittlich 1259,00 €, die Stadt Frankfurt 537,00 € je Schüler:in. Kassel bildet im hessischen Vergleich das Schlusslicht in Sachen Schulbausanierung.


5. Wie wollen Sie den Sanierungsstau an den Kasseler Schulen auflösen?
Es benötigt eine klare Bestandsaufnahme, einen klaren Plan aus dem die Priorisierungen mit guten Gründen deutlich werden und das alles in Transparenz unter Gewährleistung aller Garantien der demokratischen Mitbestimmung. Nur so kommen wir zu einer Arbeitsgrundlage, die Eignung zur konsequenten und straffen Abarbeitung hat und gleichzeitig die notwendige öffentliche Akzeptanz schafft. Es darf nicht der politischen Wetterlage des Tagesgeschäfts überlassen sein, welche Schulsanierung wann und in welcher organisatorischen Struktur (GWGpro oder Hochbauamt) verwirklicht wird.
Das in privatrechtlicher Organisationsform geschaffene Konstrukt der GWGpro und der Immobilien Kassel GmbH & Co KG operiert mit einem alternativen Finanzierungsmodell und kann durchaus geeignet sein, Projekte beschleunigt anzugehen. Nur müssen wir feststellen, dass mit diesem Konstrukt bislang keine einzige Schule saniert wurde. Es wurden eine Kita gebaut und ein Feuerwehr-Neubau ist in Planung. Wir sollten diese Gesellschaften indessen dazu verwenden, Schulen zu sanieren. Und das sollte auch nicht in interner Konkurrenz zum Hochbauamt der Stadt geschehen, sondern in kooperativer Abstimmung auf der Basis eines nach den oben genannten Kriterien erarbeiteten und öffentlich akzeptierten Gesamtkonzepts. Ich werde daher unverzüglich dafür sorgen, dass die politische Steuerung des Hochbauamtes und der GWGpro künftig über ein- und dasselbe Dezernat erfolgen, um Reibungsverluste zu vermeiden.


6. Was halten Sie davon, eine gründliche Analyse des notwendigen Sanierungsbedarfs an Kasseler Schulen und den Kitas durchzuführen?

Eine gründliche Analyse ist erforderlich, darf aber nicht zu einem Aufschub der Realisierung führen. Ich werde daher dafür sorgen, dass die nach einer Sofortanalyse drängendsten Projekte auch sofort angegangen werden und währenddessen die gebotene Gesamtanalyse erfolgt.

7. Wie sollten aus Ihrer Sicht die Schulgemeinden an der Planung von Sanierungsmaßnahmen beteiligt werden?

Die Beteiligung der zukünftigen Nutzer*innen ist von zentraler Bedeutung dafür, dass die Gebäude und die Ausstattung der Schulen der Zukunft den Bedürfnissen von Lehrenden und Lernenden gerecht werden. Deshalb beteiligen sowohl das städtische Hochbauamt und das Amt für Schule und Bildung als auch die GWGpro die Schulgemeinden. Beteiligung bedeutet, dass zunächst einmal die Aufgabenstellung vollständig transparent gemacht wird, dass sodann frühzeitig und in angemessenen Formen Gelegenheit gegeben wird, sich mit Stellungnahmen, Ideen und Vorschlägen einzubringen und dass die Eingaben auch ernsthaft geprüft und mit den sich Beteiligenden im Hinblick auf die Realisierbarkeit besprochen werden.

8. Welches Mobiliar benötigt ein Lernraum der Zukunft?

Die Möbel müssen an die pädagogischen Konzepte angepasst werden. Bei agilen Konzepten braucht man andere Möbel als bei Frontalunterricht, es kommt also vor allem auch auf die Schule und an die dort angewandten pädagogischen Konzepte an. Deswegen ist es wichtig, die Schulen bei Sanierung und Beschaffung zu beteiligen. Dann werden wir als Stadt natürlich versuchen, die genannten Bedarfe und Wünsche zu realisieren.

Durch den Ganztag sind die Schulen nicht mehr nur Unterrichtsraum, sondern „Lebensraum“. An vielen Standorten werden die Räume nachmittags vom Hort genutzt. Das Mobiliar muss zukünftig also auch so ausgewählt sein, dass es für unterschiedliche Funktionen und Situationen geeignet ist. Das alles geschieht in enger Absprache und Zusammenarbeit mit denen, die im „Raum Schule“ arbeiten.

9. Welche IT-Infrastruktur sollte ein Lernraum im Einzelnen und die Schule der Zukunft haben?

Lernräume der Zukunft sind selbstverständlich digital. Details der Ausstattung überlasse ich als Oberbürgermeister den Fachleuten in den Schulen und im Amt für Schule und Bildung.


Themenkomplex 3: Schulentwicklung

Vorbemerkung: Die Zahl der Lernenden steigt in Kassel kontinuierlich. Einige Schulen werden von den Eltern besonders stark angewählt und andere Schulen leisten besondere Förderaufgaben, sodass Lernenden aller sozialen Milieus langfristig die Einmündung in den Arbeitsmarkt und damit gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.

10. Was beinhaltet Ihr persönliches Bild eines schulischen Entwicklungskonzeptes für die Stadt Kassel?

Mein Ziel ist es, jedem Kind die optimale Förderung zukommen zu lassen. Egal in welchem Stadtteil und in welchem Bildungsgang.

Ich stehe dafür, die neue Gesamtschule Nord als Versuchsschule mit innovativen Konzepten als Teil einer Bildungslandschaft Nord zu entwickeln, die von der frühkindlichen Bildung bis zum lebenslangen Lernen den ganzen Bogen überspannt und in den Stadtteil hineinwächst.

Die Stärkung der beruflichen Bildung liegt mir besonders am Herzen und ich unterstütze Schulen, die dabei besondere Schwerpunkte legen, ihre Schüler*innen und Lehrenden zu bilden, etwa bei der europaweiten Mobilität von Auszubildenden und Lehrenden. Eine Aufgabe, die vor uns liegt, ist es, den nordhessischen Arbeitsmarkt fit für die Anforderungen der Zukunft zu machen, etwa bei der Ausbildung von Fachkräften für die Energieversorgung und -sicherheit. Das unterstütze ich als Oberbürgermeister im Rahmen meiner Möglichkeiten.

11. Wie soll das Recht auf Ganztag aus Ihrer Sicht bis zum Jahr 2026 in Kassel verwirklicht werden?

Der Kasseler Weg, Ganztagsbetreuung auf Augenhöhe zwischen Schule und Jugendhilfe zu verwirklichen, ist der richtige. Die ganztägig arbeitende Grundschule, in der in multiprofessionellen Teams der Tag der Kinder gemeinsam von Fachkräften gestaltet wird, ist mein Ziel. Wir stehen in Kassel schon sehr gut da, das Amt für Schule und Bildung hat hier zusammen mit der Jugendhilfe tolle Arbeit geleistet, so dass der Anspruch bis auf wenige Ausnahmen bereits erfüllt ist. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den Rechtsanspruch auf Ganztag bis 2026 in jedem Falle schaffen.

12. Wie wollen Sie in Zukunft für ausreichend wohnortnahe Schulplätze insbesondere im Kasseler Osten sorgen?

Die größte Knappheit besteht in den nächsten Jahren im Bereich der Grundschulen. Hierfür werden neue Grundschulstandorte im Süden und Norden der Stadt entwickelt. Grundsätzlich ist es erstrebenswert, dass die Schulentwicklungsplanung schnell und flexibel auf steigende Schüler*innenzahlen reagiert. Auch ein Schulstandort in Kassels Osten muss in der Schulentwicklungsplanung eruiert werden.

Themenkomplex 4: Personal

Vorbemerkung: Die Kolleg:innen im Ganztag oder in der Ausbildungsberatung arbeiten an den unterschiedlichen Schulen in unterschiedlichen Vertragsverhältnissen. Dies führt häufig bei gleicher Arbeit zu unterschiedlichen Einkommens- und Arbeitsbedingungen. Die GEW fordert deshalb die Überführung der Kolleg:innen der „StadtBild - Gemeinnützige Gesellschaft für Aus- und Fortbildung mbH“ in direkte Arbeitsverhältnisse der Stadt Kassel, sodass die Einkommen und Arbeitsbedingungen durch den TVöD bestimmt werden.

13. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass der gewerkschaftliche Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für die Beschäftigten von „StadtBild“ in ihrer angestrebten Amtszeit umgesetzt wird?

Mit den Trägern, mit denen die Stadt Kassel im Ganztag oder der Ausbildungsberatung zusammenarbeitet, bestehen Leistungsvereinbarungen. Es ist mein Bestreben, dass es für die Stadt Kassel ein Gesamtkonzept gibt, um dem Fachkräftemangel im (sozial-)pädagogischen Bereich zu begegnen. Da gehören attraktive Arbeitsbedingungen in jedem Fall dazu. Und die Lohngerechtigkeit ist ein absolut anerkennenswertes Motiv.

14. Welche Position vertreten Sie im Hinblick auf die Beschäftigung des Reinigungspersonals unter dem Dach der Stadt Kassel, um so die hygienischen Bedingungen nicht nur in Pandemiezeiten auf ein gesundheitsförderliches Niveau für die Schulgemeinden zu heben und um den beschäftigten Reinigungskräften faire, sichere und auskömmliche Arbeitsplätze anzubieten?

Es ist anzustreben, dass die hygienische Reinigung von Gebäuden in städtischer Hand auch außerhalb von Pandemiezeiten als Standard gewährleistet wird. An dieser Stelle macht es Sinn, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen; die klare Aufgabenbeschreibung in der Ausschreibung und Vergabe festzulegen. Die Prüfung der Re-Kommunalisierung ist an der Stelle richtig, wenn wir feststellen müssen, dass anders keine angemessenen Ergebnisse erzielt werden.

5. Außerschulische Bildung

Vorbemerkung: Bildung ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, sie beginnt in der Kita, setzt sich an Schulen und Hochschulen fort und begleitet die Menschen in der Fort- und Weiterbildung ein Leben lang.

15. Welche weiteren bildungspolitischen Ziele verfolgen Sie für die nächsten fünf Jahre, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen?

Je früher wir in Bildung und Teilhabe investieren, desto mehr zahlt es sich aus. Deshalb stehe ich für Ausbau und Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung und für eine Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung mit hohen Qualitätsansprüchen. Mit der Weiterentwicklung der Bildungsregion Waldau, der neuen Bildungslandschaft Nord und der ständigen Weiterentwicklung unserer Volkshochschule möchte ich durchgängige Bildungsketten sichtbar und zugänglich für alle machen.

Als Modellkommune Bildung für Nachhaltige Entwicklung möchte ich, dass Kassel seine Vorreiterrolle in diesem Bereich ausbaut und unterstütze natürlich auch Initiativen wie FairTrade Town. Als starker Standort der beruflichen Bildung bilden wir die Fachkräfte von morgen aus: zum Beispiel für die Realisierung der regionalen Energieversorgung und Gebäudesanierung.