Aktuelles zur OB-Wahl in Kassel
Klare Worte finden!

Die Initiative 6. April hat einen offenen Brief an alle OB-Kandidat*innen geschrieben. Diesen hat Dr. Sven Schoeller gerne beantwortet.
Hier finden Sie den offenen Brief.
1. Wie positionieren Sie sich zu unseren oben benannten Forderungen?
Zu 1) Kassel hat eine Geschichte und eine Gegenwart rechter Gewalt. Es ist eine wichtige politische Aufgabe, die Ereignisse, die in diesem Zusammenhang in unserer Stadt stattgefunden haben, nicht zu verdrängen, sondern immer wieder in das Bewusstsein der Menschen zu holen. Dazu gehört Eindeutigkeit in der Aufklärung. Ich stimme Ihnen daher zu, dass eine Gedenktafel, die Walter Lübcke als Opfer einer politischen Tat bezeichnet, nur die halbe Wahrheit offenbart. Er wurde Opfer einer rechtsradikal motivierten Tat.
Zu 2) Es ist die Aufgabe der Stadt, klare Haltung gegen jede Form des Rechtsextremismus zu zeigen. Dies kann in verschiedenen Formen erfolgen: Straßen- und Platzbenennungen, Gedenktafeln, -plaketten, Skulpturen, Bilder, Ausstellungen, Lernorte usw.
Zum Gedenken an Halit Yozgat wurde der Halitplatz benannt. Die Umbenennung der Holländischen Straße wäre mit erheblichen Problemen verbunden, da es sich um eine sehr lange Straße mit sehr vielen (Geschäfts-)Adressen handelt. Ich bin nicht der Meinung, dass für ein mahnendes Andenken an die Tat und ein würdiges Erinnern an Halit Yozgat die Umbenennung der Holländischen Straße zwingend wäre. Ich unterstütze das Anliegen einer Installation zum Gedenken an Halit Yozgat und Walter Lübcke als Opfer rechtsradikaler Gewalt in Kassel auf dem Regierungspräsidium.
Die Aufklärung der Rolle von Andreas Temme wäre überaus wünschenswert. Allerdings müssen wir erkennen, dass weder ein Oberlandesgericht, noch ein Untersuchungsausschuss letzte Aufklärung hierüber bringen konnten. Ich sehe nicht, dass die Stadt Kassel in Hinblick darauf über bessere Möglichkeiten verfügt als das Oberlandesgericht München und der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags.
Eine Gedenkplakette zur Erinnerung an die rechtsradikal motivierte Tat zu Lasten des Mietwagenfahrers B. Efe, der hierdurch schwer und dauerhaft verletzt wurde, unterstütze ich.
Zu 3) Ich finde es richtig, zu den Jahrestagen in angemessener Form an die Ereignisse zu erinnern. Soweit es finanzielle Unterstützung angeht, muss abgeklärt werden, wer diese Unterstützung erhalten soll und wofür sie konkret zu leisten ist.
Zu 4) Sofern mir die Wähler*innen ihr Vertrauen schenken, wird es mit mir als Oberbürgermeister kein Opfer und keinen nahen Angehörigen einer rechtsradikal motivierten Gewalthandlung in dieser Stadt geben, der nicht meinen ganz persönlichen Beistand erhält, wenn der Wunsch hierzu besteht.
Zu 5) Ich sehe ein angemessenes Opferentschädigungsrecht als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an. Es handelt sich um eine allgemeinpolitische Fragestellung, die meines Erachtens nicht in der Regelungskompetenz einzelner Kommunen liegt. Opferentschädigung muss zur Gewährleistung gleicher Rechtsverhältnisse in Deutschland auch bundesweit geregelt werden. Das bereits beinahe 50 Jahre alte Opferentschädigungsgesetz hat viele Schwächen auch im Vollzug. Die Antragsverfahren sind kompliziert und langwierige Einholung von Gutachten belasten die Anspruchsteller*innen zusätzlich. Hier wäre eine Reform mit deutlichen Verfahrensvereinfachungen wünschenswert. Außerdem müssen Opfer in angemessener Form über ihre Ansprüche aufgeklärt werden. Das geschieht sinnvoller Weise bei der Polizei, da Opfer mit der Polizei ohnehin in Kontakt treten. Hier muss eine Beratung gewährt werden, die über das Aushändigen von Kleingedrucktem hinausgeht.
Zu 6) Das Ausheben rechter Netzwerke und die Sicherstellung illegalen Waffenbesitzes ist Aufgabe der Polizei- und Sicherheitsbehörden.
2. Planen Sie sich im Rahmen ihrer Amtszeit für die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße einzusetzen, wie bereits seit Jahren von der Familie Yozgat gefordert?
S.o.
3. Wie soll für Sie die Unterstützung von Betroffenen und Überlebenden rechter Gewalt in Kassel zukünftig konkret aussehen?
Betroffene rechtsradikaler Anschläge werden in mir als Oberbürgermeister jederzeit einen persönlichen Ansprechpartner finden, der seine jahrzehntelange Erfahrung als Rechtsanwalt und sein Amt und sein Netzwerk dazu nutzen wird, in jedem einzelnen Fall die individuell gebotene Hilfe zu vermitteln. Die Stadt Kassel wird ein würdiges und mahnendes Andenken an die Opfer und an die Taten praktizieren. Die Stadt Kassel wird Initiativen unterstützen, die sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen.
4. Was wollen Sie zukünftig zu einem würdigen Gedenken an rechte Taten in Kassel beitragen und welche Erinnerungspolitik wollen Sie verfolgen?
Wie bereits oben dargelegt, gibt es vielfältige Formen des Erinnerns. Wir werden diese Formen befördern. Besonders wichtig sind mir Lernorte in und außerhalb von Museen. Die Tatorte müssen ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden. Und es sollte meines Erachtens keine Schulklasse in der Stadt Kassel geben, die sich nicht mit den konkret hier vor Ort in Geschichte und Gegenwart erfolgten rechtsradikalen Gewalttaten befasst hat.
5. Wie planen Sie, die finanzielle Absicherung von Überlebenden rechter Taten zukünftig zu gewährleisten?
Wie oben ausgeführt, handelt es sich meines Erachtens um eine allgemeinpolitische Aufgabe, die bundeseinheitlich zu regeln ist.
6. Was wollen Sie zukünftig präventiv unternehmen, um weitere rechte Taten zu verhindern? Z.B. im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße, wo es in den vergangenen Monaten immer wieder zu rassistischen Angriffen gekommen ist.
Prävention ist eine gesellschaftliche und eine polizeiliche Aufgabe. Langfristig sollte eine lebendig gehaltene Erinnerungskultur und eine klare Haltung gegen Hass, Hetze und Diskriminierung hoffentlich auch dazu beitragen, dass Taten verhindert werden. Kurzfristig müssen Vorfälle, die sich in unserer Stadt ereignen, einer strafrechtlichen Ahndung zugeführt werden. Außerdem müssen wir natürlich Schwerpunkte, in denen sich Vorfälle im Sinne krimineller Handlungen häufen, verstärkt in den Fokus polizeilicher Präsenz gerückt werden.
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