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Stellungnahme zur documenta 15

Statement von Dr. Sven Schoeller zur documenta 15 in Kassel

Persönlich habe ich mir in den vergangenen Monaten häufiger gewünscht, die Antisemitismus-Debatte um die documenta 15 wäre bisweilen weniger schrill und politisch aufgeheizt geführt worden. Aber auf der anderen Seite will ich auch eines klar sagen: Wir leben hier in Deutschland und auch in unserer Stadt Kassel mit einer historischen Verantwortung und ich möchte es nicht erleben, dass in unserer Stadt offen ausgestellte antisemitische Schmähbildnisse keine heftigen Reaktionen mehr hervorrufen.

Soweit von manchem die Qualifikation unserer Stadt als Standort der documenta in Frage gestellt wurde, kann ich das nur als dummes Zeug einordnen. Und dabei ist mir gleichgültig, welches Parteibuch solche Zwischenrufer haben. Nur ist es ebenso ungeschickt, wenn man als Trotzreaktion eine „Kassel gegen den Rest der Welt“-Haltung einnimmt.

Gerade z.B. der großartige „Parthenon der Bücher“ auf der der documenta 14 hat sich unter anderem mit der besonderen Geschichte des Friedrichsplatzes als Ort auseinandergesetzt, an dem die Nazis Bücherverbrennungen unter aufmarschierenden SS und SA-Leuten und übelste Judenhetze zelebriert haben. Auch der Parthenon ist documenta in Kassel! Dass der Platz in der darauf folgenden documenta zu einem Ausstellungsort antisemitischer Bildnisse ohne jede Kontextualisierung werden konnte, obgleich seit Monaten bereits eine Antisemitismus-Debatte am Laufen war, gehört zu den unaufgeklärten Ereignissen, die nicht zu verstehen sind.

Ich habe den von uns Grünen getragenen Antrag deshalb unterstützt, weil er ein klares Bekenntnis zu Kassel als documenta-Standort beinhaltet, die Kunstfreiheit achtet und sich für Aufklärung und verbesserte Kommunikationsstrukturen in der Zukunft ausspricht. Die Einzelheiten zur Verwirklichung dieser Ansätze müssen zur weiteren Diskussion in den zuständigen Gremien offen sein.

Ich bedauere ausdrücklich, dass der dunkle Schatten, den die Antisemitismus-Problematik auf die documenta 15 wirft, auch viele der sehr sehenswerten und interessanten Kunstwerke überdeckt, die sich mit zentralen Fragen unserer Zeit befassen und die Perspektive des globalen Südens in den Fokus unserer Aufmerksamkeit rücken. Wir sind den Künstlerinnen und Künstlern dieser Werke zum Dank verpflichtet. Die documenta 15 hat ein wichtiges Thema in vielfältiger Weise mit großer künstlerischer Substanz und starkem Ausdruck an uns herangetragen. Sie verdient eine gerechte und differenzierte Betrachtung.

Nachdem die letzten beiden Ausstellungen -jede auf ihre Weise- skandalbelastet waren, hoffe ich, dass wir die kommende documenta in ein sicheres Fahrwasser führen werden. Dazu kann eine umsichtige Führung erheblich beitragen.